Wah gwaan? (What´s going on?) – so sagt man hier in Kingston, Jamaika!
Ich bin nun schon 10 Tage in Jamaika und lebe mich gerade ein. In der Zwischenzeit haben sich die Ereignisse überschlagen, aber alles von Anfang an:
Nachdem ich am Mittwochabend in Montego Bay ankam, sind wir am Donnerstag mit dem Bus nach Kingston gefahren, wo nun für ein halbes Jahr mein neues Zuhause sein wird. Schon allein die Busfahrt ist nichts für schwache Nerven. Es ging quer über die ganze Insel und man könnte meinen, die Busfahrer werden hier nach Geschwindigkeit bezahlt – in Deutschland hätte man mindestens doppelt so lange für die Fahrt gebraucht, und auch die schlechten Fahrbahnverhältnisse machten die Fahrt nicht angenehmer. Sehr amüsant war allerdings, wie man die Fahrgäste regelrecht stapelt (auch im Taxi fährt man generell mindestens zu 8) und gehupt wird natürlich immer und bei jeder Gelegenheit…
Ich wohne hier in Arnett Garden, einem Slumteil von Trenchtown. Auf den ersten Blick scheint alles sehr friedlich und nicht wirklich kriminell: Von überall her schallt Musik, die Kinder spielen genauso wie die Ziegen auf den Straßen, und sehr viele Hauswände sind bunt bemalt, meistens in den Rastafarben. Wenn man durch das Viertel läuft grüßt man jeden, man unterhält sich mit den Menschen (die Deutschen sind hier schon bekannt) und wird überall neugierig „beschaut“. Einzig allein der jamaikanische Slang, Patois genannt, bereitet mir noch Schwierigkeiten, denn manche Jamaikaner reden wirklich unglaublich schnell – andere können gar kein richtiges Englisch.
In dem Haus, in dem wir Deutschen mit dem jamaikanischen Musikproduzenten und seiner Familie zusammen leben, ist immer was los. Ab 7 Uhr morgens schallt die Reggea-Musik aus den Lautsprechern, und da das Haus noch nicht fertig gestellt ist, wird man meistens auch, mehr oder weniger freiwillig, von Baulärm geweckt. Hier ist alles ein bisschen gewöhnungsbedürftig – das Wasser aus dem einzigen Hahn kommt in letzter Zeit sehr spärlich bis gar nicht und zum Duschen muss ich mir generell immer Wasserkanister überkippen (sprich: es gibt nur manchmal fließendes Wasser), genauso wie die Moskitos, die in mir einen neuen Freund gefunden haben – aber dennoch ist es hier sonst ein wirklich toller Ort. Nur an die ständige Hitze habe ich mich bis jetzt wirklich noch nicht gewöhnen können.
Der Trenchtown Culture Yard – früher Home of Bob Marley, heute eine Kulturstätte, ist ein wunderschöner Ort. In dem Yard steht neben einer großen Bob Marley Figur auch der Original-Tourbus, mit dem Bob früher herum getourt ist. Hier, in dem Geburtsort des Reggae, werde ich nächste Woche mit dem Musikunterricht anfangen – unglaublich! Ich war auch sehr erstaunt darüber, wie weit die Schüler der anderen Deutschen zum Teil schon sind. Da klingen doch tatsächlich schon schöne Trompeten- und Gitarrenmelodien über den Platz. Die Schüler sind dort sehr konzentriert bei der Sache und musikalisch ist hier auch fast jeder.
Letzte Woche hatten wir Musiker ohne Grenzen auch ein Treffen mit dem Direktor der Charlie Smith High School – die Lehrer dort waren sehr glücklich über unsere Angebot, auch in der Schule Musikunterricht in den Klassen zu geben, da die Schule überhaupt kein Geld hat, um Musiklehrer einzustellen. Und so geben wir jetzt auch jeden Tag in der Schule (Klasse 7-9) Musikunterricht. Vergangenen Donnerstag hatten wir unseren ersten „Schultag“ – nachdem wir uns, unsere Instrumente und die Organisation kurz vorgestellt hatten, haben wir zum Einstieg ein Chor-Projekt mit den Schülern gemacht. Es ist unglaublich, wie rhythmisch begabt hier fast alle Kinder und Jugendlichen sind. Alle waren freudig dabei, haben sich gegenseitig motiviert und lauthals mitgesungen – nur die 7er sind noch ein bisschen schüchtern. Wir haben Großes vor an der High School, neben Chor-, Rhythmus- und eventuell Theorieklassen wollen wir auch Einzelunterricht für unsere Instrumente etablieren. Mal sehen, wie sich das hier alles entwickelt!
Gleich am ersten Wochende haben wir einen Ausflug mit den Jamaikanern in die Blue Mountains gemacht – unser Ziel war es, den Peak (höchster Berg Jamaikas) zu besteigen, dann dort zu übernachten um am nächsten Morgen einen traumhaften Sonnenaufgang und eine wundervolle Rundumsicht über Jamaika zu erleben – soweit der Plan. Die Realität sah aber leider anders aus: Nachdem wir uns bei tropischen 35°C nach 7 Stunden auf den Peak gekämpft, und eine richtig kalte Nacht bei Dauerregen verbracht hatten, sahen wir am Morgen schließlich gar nichts. Durch den Nebel konnte man höchstens 1m weit sehen…
Dennoch war es das erste Mal, dass ich überhaupt im Dschungel war, echte Bananenstauden an Bäumen sehen konnte, und haufenweise exotische Früchte probieren durfte!
Gestern Abend sind wir dann noch spontan mit dem Musikproduzenten in ein Studio gefahren, um ein bisschen was auszuprobieren. Natürlich war nichts so, wie ich es aus deutschen Studios kenne – ich sollte bei einem Reggea-Stück den Bläsersatz und ein Solo einspielen, allerdings hatte sie weder die Chords noch andere Sheets zu dem Song. Ihre Arbeitsweise: Jamaikaner fühlen die Musik, Musiker brauchen keine Noten, geschweige denn Chords, alles passiert intuitiv – na toll, und ich mitten drin. Am Ende hat dann aber doch alles wirklich super geklappt, und die anderen Produzenten waren so begeistert, dass ich wahrscheinlich noch bei anderen Songs und Alben mitwirken kann und soll!
So, das war es erstmal aus dem sonnigen Jamaika
Bless
Joza
Das ganze Reisetagebuch von Joza findet ihr unter:
www.joza.musikerohnegrenzen.de